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DC4FS  > WX-INFO  22.11.95 11:53l 74 Lines 5161 Bytes #-10405 (0) @ DB0TNC
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Subj: Wetter seit 1820
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Sent: 950315/2210z @:DC4FS.#NDS.DEU.EU [Wittmund JO33VN WinGT-1.53]

 de DC4FS @ DC4FS.#NDS.DEU.EU (Rüdiger, @DB0CL)
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Immer wenn ein Sommer wettermaeßig schlecht ausgefallen ist, hoert man vor
allem von aelteren Menschen die Worte: Frueher war das Wetter besser. 
Und dann erzaehlen sie von den kalten Wintern mit Schnee und Eis und den 
schoenen warmen Sommern, in denen man fast an jedem Tag im Freien baden konnte.
Stimmt das nun wirklich - so werde auch ich hin und wieder gefragt - war das 
Wetter in Deutschland frueher wirklich besser? Die Antwort ist ein ganz 
entschiedenes Nein.
Die Aussagen dieser Menschen sind jedoch allzu verstaendlich und erklaerbar:
Der Mensch erinnert sich nach vielen Jahren hauptsaechlich nur noch an 
praegnante und vor allem schoene Erlebnisse. Das ist eine ganz normale 
Schutzvorrichtung in unserem Gehirn, die bewirkt, daß wir uns mit Problemen 
und wenig angenehmen Dingen aus unserer persoenlichen Vergangenheit nicht 
mehr weiter beschaeftigen, sie sozuagen verdraengen, weil sonst der Berg der 
psychischen Belastungen imme großer werden wuerde.
Pruefen Sie einmal selbst, was Sie z.B. anderen Leuten aus ihrer Vergangenheit 
am liebsten berichten, aus Zeiten, die vielleicht 30 oder 40 Jahre zurueckliegen, 
manchmal auch weniger. Das Schoene schlaegt nach jedem Steinwurf in den See 
unserer Erinnerungen stets vorrangig Wellen vor dem Unliebsamen.
Wie war das nun wirklich mit dem Wetter seit etwa 1820.
Betrachtet man das vieljaehrige Mittel der Winter seit 1821, so gab es bis 1900
37 milde und 43 kalte Winter. Dieses Verhaeltnis aenderte sich in diesem Jahr-
hundert recht krass zugunsten der milden Winter. Auf 55 milde kamen nur 25
kalte Winter. Auch die extrem kalten und extrem kalten und extrem milden Winter sind in ihrem Verhaeltnis aehnlich. Im Zeitraum von 1821 bis 1900 gab es 
10 extrem milde und 11 extrem kalte Winter. In diesem Jahrhundert bis 1980 
hatten wir 12 sehr milde und 6 sehr kalte Winter. Die 6 sehr kalten Winter in 
unserem Jahrhundert waren die Winter 28, 39, 40, 41, 46 , 62/63. 
Bemerkenswert ist die unmittelbare Aufeinanderfolge der strengen Kriegswinter in 
diesem Jahrhundert. Das gibt sicher zu manchen Erzaehlungen ueber die frueheren kalten Winter Anlaß.
Bemerkenswert ist aber auch die lange Pause zwischen den Strengwinter 1894
und dem ersten Strengwinter 1928. Die verschieden langen Abstaende der
Strengwinter erschweren ihre Prognose. 
Die Gegenueberstellung der mitteleuropaeischen Sommer fuer das vorige und
jetzige Jahrhundert ergibt mit 35 warmen und 45 kuehlen Sommern im vergangenen
Jahrhundert und 36 warmen und 44 kuehlen Sommern in diesem Jahrhundert keine
wesentlichen Unterschiede. Auffallend ist jedoch die Abnahme der sehr warmen
Sommer in unserem Jahrhundert von 11 auf 7, besonders aber die Zunahme sehr
kuehler Sommer von 8 auf 14. Die Sommermitteltemperatur liegt in  unserem
jetzigen Jahrhundert etwa um 0,1 Grad niedriger als im vergangenen Jahrhundert.
Was wir heute an unserem Sommerwetter beklagen - zu kuehl und zu nass - 
das hatten wir bereits zwischen 1911 und 1920. In diesem Zeitraum gab es 8 zu 
kuehle Sommer. 1913 fand sogar der bisher kaelteste Sommer dieses Jahrhunderts 
statt.
Danach wurden die Sommer wieder waermer, Hoehepunkte der warmen Sommer 
gab es zwischen 1941 und 1950 mit dem Rekordwaermesommer 1947.

Bis 1980 ging die sommerliche Waerme wieder leicht zurueck. Dieser Trend
wurde nur durch einige sehr warme Sommer unterbrochen. Bis 1980 gab es
nur 7 sehr warme mitteleuropaische Sommer, und zwar 11, 47, 50, 52, 59, 76.

Wenn ein Sommer so ausfaellt wie in diesem Jahr, sollte uns das nicht beunruhi-
gen, Unkenrufe ueber Klimaaenderungen wie z.B. bevorstehende Eiszeiten oder
aber auch auf der anderen Seite ueber staendige Erwaermung infolge des 
Kohlendioxydgehaltes in der Luft sind bis zum heutigen Tag nicht ausreichend zu
belegen. Allerdings sollte jede Besorgnis, daß sich das Wetter doch in den 
kommenden Jahrzehnten einmal aendern koennte, dennoch ernst genommen 
werden. Die Eingriffe des Menschen in den Haushalt der Natur sind unbestritten.
Koennte es nicht sein, daß wir in einigen Jahren doch ploetzlich vor der Frage
stehen:
aehnlich wie jetzt beim Waldsterben, woher kommt es, daß sich bestimmte 
Wetterereignisse und Wetterextreme haeufen. Woher kommt es, daß die 
Duerregebiete wachsen, daß Wetterkatastrophen zunehmen. Ich persoenlich halte 
das Abholzen der tropischen Regenwaelder in den letzten 20 Jahren , wenn das so weitergeht, fuer sehr gefaehrlich fuer unsere globale Klimaentwicklung, noch
viel gefaehrlicher als die Anreicherung mit Kohlendioxyd.
Zunaechst bleibt es aber dabei, daß die Messungen des vorigen und jetzigen
Jahrhunderts noch keine besonders auffallende Klimaaenderung in Mitteleuropa
belegen koennen. Hoffen wir, daß es so bleibt. Der naechste warme Sommer 
kommt bestimmt, aber wie immer: selten. Gerade weil er so selten ist, erzaehlen wir Mitteleuropaeer lange davon. Und das hoert sich dann leicht so an, als 
waere das Wetter frueher besser gewesen als heute.


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