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50 Jahre PAL
Hallo Technik-Geschichtsfans,
aus der WAZ vom 10 August 2015:
Titel: Heute vor 50 Jahren (10. August 1965):
Die Farbfernsehsysteme spalten Europa: nach Deutschland entscheiden sich auch
Skandinavien und Großbritannien für die Einführung des Deutschen Systems PAL.
Frankreich und fast alle Ostblockländer wollen statt dessen das französische
System SECAM.
73 de DL1YAI
Anmerkung:
Als in den 1960er Jahren in Europa die Einführung eines Farbfernsehsystems
anstand, hat man sich dafür entschieden, das amerikanische System NTSC
aufgrund bestimmter technischer Mängel nicht zu übernehmen und etwas Eigenes
zu entwickeln.
"NTSC" steht für "National Television System Committee", also für den
Ausschuss, der das erste brauchbare, zum bestehenden Schwarz-Weiß-System
kompatible Farbfernsehsystem entwickelt hat.
Kurioserweise steht "NTSC" aber auch für den größten "Bug" in diesem System:
"Never The Same Color = niemals die gleiche Farbe".
(Ganz ursprünglich wollte man um 1950 herum in den USA die vorhandenen
Schwarzweißgeräte für Farbbildübertragung nutzen, indem man vor die Kamera
und vor den Schwarzweißempfänger eine rotierende Scheibe mit farbigen
Glassegmenten Rot, Grün, Blau plazierte, was grundsätzlich auch funktioniert,
aber ein stark flimmerndes Farbbild ergibt. Diese Idee konnte aufgegeben
werden, als es gelang eine Bildröhre zu bauen, deren Leuchtschicht die drei
Grundfarben Rot, Grün, Blau und in Summe auch Weiß darstellen konnte).
Die Systeme NTSC, PAL, SECAM unterscheiden sich in der Art und Weise, wie die
zusätzliche Farbinformation in das Schwarzweißsignal, das für die
Schwarzweiß-Gerätebesitzer aus Kompatibilitätsgründen unverändert bleiben
musste, eingeschachtelt wird.
Die Farbfernsehkameras liefern drei Signale, die der Helligkeit der
Farbanteile Rot, Grün und Blau eines Bildes entsprechen.
Praktisch alle Mischfarben lassen sich durch unterschiedliche Intensität der
drei Grundfarben darstellen.
Die Summe Rot + Grün + Blau, Y-Signal genannt, ergibt das ursprüngliche
Schwarzweiß-Leuchtdichtesignal, das für die SW-Geräte unverändert gesendet
wird.
Zusätzlich sendet man zwei sogenannte Farbdifferenzsignale: "Blau -Y" = U und
"Rot - Y) = V..
Durch Addition und Subtraktion dieser drei Signale Y, U, V im
Farbfernsehempfänger werden die drei einzelnen Ansteuersignale Rot, Grün,
Blau für die Bildröhre gewonnen.
Die Farbdifferenzsignale U und V werden bei NTSC und PAL auf einen
Hilfsträger aufmoduliert, der so in das Spektrum des Schwarzweißsignals
eingeschachtelt wird, dass er möglichst wenig durch feine Gittermuster im
Schwarzweißbild stört. (Amplitudenmodulation mit unterdrücktem Träger, also
Doppelseitenbandmodulation)
Die Farbdifferenzsignale U und V müssen jeweils zwei Informationen übertragen:
- die Farbsättigung
- den Farbton Rot, Grün, Blau und alle daraus zusammengesetzte Mischfarben
Die Farbsättigung steckt in der Amplitude der Farbdifferenzsignale, der
Farbton in der Phasenlage der Farbhilfsträgerschwingung im Vergleich zu einem
vor Beginn jeder Zeile gesendeten Phasen-Referenzsignal (Farb-Burst genannt =
8 bis 12 Schwingungen des Farbhilfsträgers).
Genau hier liegt die Krux bei NTSC:
Kleinste, auf dem Übertragungswege entstehende Phasenfehler
(Signallaufzeitfehler) wirken sich als Farbverfälschung aus, was speziell bei
Gesichtern übel auffällt
Bei PAL = Phase Alternating Line; zu Deutsch etwa: "Zeile mit Phasenwechsel",
wird das über zwei Zeilen gemittelte Farbdifferenzsignal zweimal gesendet,
einmal mit korrekter Phasenlage, einmal mit um 180 Grad gedrehter Phase.
Beide Signal werden addiert und der Mittelwert gebildet.
Angenommen, der einem Farbton zugeordnete, richtige Phasenwinkel wäre +90
Grad und der Phasenfehler bei der Übertragung sei +5 Grad, so kommt das Signal
mit Phasenlage +95 Grad am Empfänger an.
Während der nächsten Zeile wird das Farbdifferenzsignal mit dem "falschen"
Wert "-90 Grad" noch einmal gesendet und kommt mit "-85 Grad" bei weiterhin
+5 Grad betragendem Phasenfehler am Empfänger an. Der Mittelwert ist wieder
der richtige Phasenwinkel "+90 Grad" und eine Verfälschung des Farbtons wird
absolut vermieden.
Die Mittelwertbildung führt lediglich zu einer leichten Entsättigung des
Farbintensität, was wesentlich weniger stört, als ein falscher Farbton.
(Die Amerikaner nennen ihr NTSC System auch "Body Building TV", weil sie
dauernd aus dem Fernsehsessel aufstehen müssen, um von Hand den
Farbtoneinstellknopf nachzujustieren: PAL braucht so einen Einstellknopf
nicht)..
Damit man das Signal zweier aufeinander folgenden Zeilen zur Verfügung hat,
musste das Signal der vorhergehenden Zeile irgendwie gespeichert werden.
(Den analogen Bildinhalt auch nur einer einzigen Zeile digital speichern,
konnte man noch nicht).
Das Problem löste man durch eine Ultraschall-Verzögerungsleitung, die das
Farbsignal um genau eine Zeilendauer - bei PAL 64 Mikrosekunden entsprechend
15.625 kHz Zeilenfrequenz - verzögert.
Die Zuordnung, welcher Zeileninhalt durch die Verzögerungsleitung geschickt
werden muss und welcher direkt verarbeitet wird, erfolgt durch das zu Beginn
jeder Zeile gesendete Farbhilfsträger-Referenzsignal, das einmal mit +45 Grad
und einmal mit -45 Grad "falscher" Referenzphasenlage gesendet wird.
Im Mittel ergibt sich dann wieder die richtige Referenzphasenlage, auf die
der zur Regenerierung des Farbhilfsträgers benutzte Quarzoszillator im
Empfänger synchronisiert wird.
Dieser Quarzoszillator (4,433 MHz) entspricht dem uns bekannten BFO bei SSB.
Hier haben wir sozusagen eine Parallele zwischen SSB und NTSC; bei SSB
stellen wir die richtige Frequenz und Phasenlage des BFO nach Gehör ein.
Noch etwa interessantes in diesem Zusammenhang:
Das für obige Zuordnung erforderliche, zu Beginn jeder Zeile gesendete
Farbhilfsträger-Referenzsignal muss auch irgendwie gespeichert werden, denn
diese Information ist ja weg, wenn der Zeileninhalt kommt.
Der Phasendiskriminator, der den Farbhilfsträger-Quarzoszillator im Empfänger
auf die Soll-Phasenlage synchronisiert, liefert z. B. bei +45 Grad bzw. -45
Grad "falscher" Referenzphasenlage ein Korrektursignal von +100 mV oder -100
mV. Damit erhält man eine Zeilenkennung.
Dieses Korrektursignal wird verstärkt und in einer bistabilen Kippstufe
(Flip-Flop) gespeichert, das PAL Flip-Flop.
Somit nahm auch die Digitaltechnik im Farbfernseher ihren Anfang in Form
eines 1 Bit Informationsspeichers.
Bei SECAM = Sequencielle a Memoire, zu Deutsch etwa: "nacheinander und im
Gedächtnis behalten" werden die beiden über zwei Zeilen gemittelten
Farbdifferenzsignale U und V nacheinander mittels eines frequenzmodulierten
Farbhilfsträgers gesendet.
Auch hier benötigt man eine Ultraschall-Verzögerungsleitung, die das
Farbsignal um genau eine Zeilendauer verzögert, um die beiden Signale U und V
nach Demodulation zu Y addieren / von Y subtrahieren zu können..
Die Zuordnung, welcher Zeileninhalt durch die Verzögerungsleitung geschickt
werden muss und welcher direkt verarbeitet wird, erfolgt bei SECAM abweichend
von PAL durch während des Bildrücklaufs gesendete Kennsignale zur
Synchronisierung des beschriebenen, hier mit Zeilenrückschlagimpulsen
gesteuerten Flip-Flops,
Vorteil von SECAM gegenüber NTSC:
Durch die FM-modulierten Farbdifferenzsignale werden die Auswirkungen von
Phasenfehlern auf die Farbwiedergabe gleichwertig zu PAL vermieden.
Die beiden Informationen Farbsättigung und Farbton stecken in Frequenzhub und
Anzahl der Frequenzhübe pro Sekunde, analog zur Frequenzmodulation von
Sprache und Musik.
Nachteile bei SECAM gegenüber NTSC: keine.
Vorteil von SECAM gegenüber PAL:
Einfachere Videoaufzeichnung auf Magnetband; bei PAL muss das
Farbdifferenzsignal vor der Aufzeichnung erst in ein FM-moduliertes
Hilfssignal ähnlich SECAM umgewandelt werden und bei der Wiedergabe wieder
zurück.
Grund: der Signal-Rauschabstand des Farbdifferenzsignals auf dem Magnetband
wäre bei geringer Farbsättigung zu schlecht. Bei FM Modulation ist der
Rauschabstand für alle Signalamplituden gleich.
Nachteil bei SECAM gegenüber PAL:
Der FM-modulierte Farbhilfsträger ist auch dann vorhanden, wenn kein
Farbinhalt zu übertragen ist und stört das Schwarzweiß-Bild durch ein feines
Gittermuster im Bild.
Damit man das nicht so sieht, haben SECAM Empfänger im Video-Signalweg ein
Sperrfilter für die Farbhilfsträgerfrequenz und deren Seitenbänder, was die
Auflösung des Schwarzweißbildes erheblich verschlechtert.
Bei PAL ist wegen dem Doppelseitenbandsignal mit unterdrücktem
Farbhilfsträger bei reiner Schwarzweißbildübertragung überhaupt kein störendes
Farbsignal vorhanden.
Fairerweise muss erwähnt werden, dass auch die PAL Schwarzweißempfänger
Ende der 60er Jahre im Video-Signalweg ein Sperrfilter für die
Farbhilfsträgerfrequenz 4,433 MHz hatten; Bildanteile darüber bis 5 MHz
wurden aber mit voller Auflösung übertragen..
Auf einem alten Schwarzweißempfänger z. B. von 1959, der dieses Sperrfilter
noch nicht hat, konnte man in der als Grautreppe dargestellten Farbtreppe des
Testbildes das feine Gittermuster des Farbsignals sehen.
Soweit ein grober Überblick über die Geschichte des analogen Farbfernsehens.
Sonstige Unterschiede und Inkompatibilitäten innerhalb der drei genannten
Übertragungsverfahren sind auf abweichende Bildformate (Bildfrequenz /
Zeilenzahl) und Tonübertragung in FM oder AM zurückzuführen:
Großbritannien: VHF 405 Zeilen (ganz alt), UHF 625 Zeilen.
Frankreich: VHF 819 Zeilen ! ! !, UHF:625 Zeilen;
Deutschland VHF und UHF 625 Zeilen, Rasterwechselfrequenz 50 Hz, Ton in FM.
Gegen die unveränderte Einführung des amerikanischen NTSC sprach auch
folgendes:
Bildwiederholfrequenz (exakter Rasterwechselfrequenz) in USA analog zur
Netzfrequenz 60 Hz, in Europa 50 Hz. Man befürchtete den stroboskopischen
Effekt, der entsteht, wenn der Bildschirm mit 60 Hz und die Raumbeleuchtung
mit 50 Hz flimmert; Differenz 10 Hz; das ist äußerst unangenehm.
Apropos flimmern:
Eigentlich ist 60 Hz besser als 50 Hz.
Da die Bildfrequenz in Europa 25 Bilder pro Sekunde beträgt, zerlegt man das
Bild in zwei Halbbilder zu je 312,5 Zeilen. Durch diesen Trick flimmert der
Bildschirm mit 50 Hz Rasterwechselfrequenz, obwohl nur 25 Bilder pro Sekunde
gezeigt werden.
Modernere Fernsehempfänger, die den gesamten analogen Bildinhalt digital
speichern können, haben
Rasterwechselfrequenzen von z. B. 100 Hz Da flimmert gar nichts mehr..
Bei den aktuellen, digitalen Übertragungsverfahren hat man sich heutzutage
vom Zwang der Kompatibilität zum etablierten, analogen Übertragungssystem
verabschiedet.
Und das sogar innerhalb digitaler Übertragungsmodi; das neue DVBT-2 ist nicht
kompatibel mit
DVBT-1.
Alle DVBT Nutzer müssen sich bald neue Geräte anschaffen.
Das wollte man 1967 bei Einführung des Farbfernsehens in Deutschland
unbedingt vermeiden, was damals sicherlich auch richtig war.
(Ende)
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