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DJ0IX > CONVENIA 30.09.96 21:07l 84 Lines 3773 Bytes #-10579 (0) @ DL
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Wolfgang DK2ZJ hat uns gefragt, ob wir Lust hätten,
einige Anekdoten von unserer Fahrradwallfahrt im
August '96 von Deutschland nach Santiago de Compostella
aufzuschreiben.
Vieles war gar nicht so funny; manche langgezogene
Steigungen fanden wir ueberhaupt nicht nett. Manchmal
konnten wir die Grenzen unserer Kraefte und Energie
deutlich spueren. Das heißt: Absteigen, Rasten und
Schieben. Irgendwann ist man (Frau) auch mit Gegenwind
oben. Und dann kommt eine schoene knackige Abfahrt bis
zum naechsten Berg mit wiederum Absteigen, Pause, Schweiß
abtrocknen und Schieben. Dafuer ist der "Schmerzhafte"
Rosenkranz besonders geeiggnet; fuer die Abfahrt bietet
sich der "Glorreiche" an.
Bei der abendlichen Ankunft im Refugio war die
angesammelte Müdigkeit schnell weg, wenn wir unsere
Erfahrungen mit anderen Pilgern austauschten. Geteiltes
Leid! Und eine frische Dusche macht wieder munter. Die
Zahl der Duschen ist proportional zur Wassertemperatur:
Gab's warmes Wasser, so waren mehrere Duschen vorhanden;
und wenn nur kaltes Wasser da war, fanden wir hoechstens
zwei Duschen. Motto: Wer kalt duscht, duscht schneller!
Aber es reicht, um wenigstens Staub und Schweiß
abzuloesen.
Es sprach sich schnell herum, wer schnarchte; deswegen
war unser Einzug in ein Schlafquartier mit 30 Betten von
großer Vorfreude gepraegt. Auch machten sich ca. 25 Paar
Turn- und Wanderschuhe bemerkbar. Ich versuchte, in der
Naehe eines Fensters zu schlafen, da ich ohnehin ein
Frischluftfreak bin. Eine junge Italienerin schob das
einzige offene Fenster zu. Ich machte ihr mit
Zeichensprache (international) klar, daß wir bald vor
lauter Gestank ersticken werden. Sie antwortete mit
unserer erprobten internationalen Zeichensprache: "Ja,
aber dann werden wir erfrieren". Motto: es sind schon
viele erfroren, aber noch keiner erstunken. Es geht eben
alles. Wir sind alle so erschoepft, daß wir trotz des
angekuendigten Schnarchkonzertes tief schlafen koennen.
Morgens gab es einen Haertetest: Nach dem Aufstehen
muessen alle den Schlafraum voruebergehend Richtung Bad
verlassen; kommt man wieder zurueck: Pow! Haben alle
gestern Abend Bohnensuppe gegessen?
Eine außergewoehnliche Pilgerstation ist Santo Domingo
de la Calzada. Nach altem Volksmund und Tradition leben
ein Huhn und ein Hahn in einer Kirche. Waehrend der Messe
erleben wir, daß der Hahn sich sechs mal meldete. Eine
wahrlich sonderbar Art von Musikbegleitung! Das
Hühnerpaar lebt in einem ca. 6 qm großen Kaefig ueber
einem Seitenaltar und wird alle 3 Wochen ausgetauscht.
Nur die besten Artgenossen des Federviehs koennen diese
Lebensbedingungen verkraften. Morgens frueh, lange vor
dem Sonnenaufgang begann im Dorf eine Art
Kraehwettbewerb. Nur der beste Schreier darf 'mal in dem
Kirchenkaefig leben. Leider haben wir vergessen,
nachzuforschen, was mit den Eiern geschieht.
Jeden Abendsuchten wir "Unterkunft" fuer unsere
Fahrraeder; oefters in einem abschließbaren Schuppen,
auch mal im Foyer eines Hotels. Einmal waren sie ganz
sicher abgestellt: Nachdem wir sie ueber das Treppenhaus
zwei Stockwerke hochgetragen hatten, wurden sie durch ein
Fenster gereicht und auf dem Dach abgestellt. Die
stilvollste Unterbringung fanden wir in Arca am Abend vor
unserer Ankunft in Santiago: Unsere Drahtesel durften
in frischen Stroh in einem Pferdestall uebernachten!
Zu schnell waren wir da, in Santiago, am Grab des
Apostels Jakobus. Bei Beginn der Reise dachten wir: Die
2500 km Pilgerfahrt machen wir nur einmal im Leben! Jetzt
wollen wir nicht ausschließen, daß wir sie wiederholen
werden. Wir planen sogar schon, es das naechste Mal mit
21-Gang Fahrraedern an Stelle von 5-Gangschaltung zu
probieren.
Ann DJ0IX mit deutscher Fehlerkorrektur von Ernst DK3FF
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