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DL1YAI > AKTUELL 26.08.03 11:27l 228 Lines 11171 Bytes #999 (14) @ DL
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Subj: Mars in extremer Erdnaehe am 27.08.03
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DB0FBB
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From: DL1YAI @ DB0FBB.#NRW.DEU.EU (Wilfried)
To: AKTUELL @ DL
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Hallo allerseits,
..und hier mal wieder ein Highlight aus der Astronomie ! Aber ein richtiges
Jahrhundert- oder sogar Jahrtausend-Highlight !
In August dieses Jahres - genau am Mittwoch den 27.08.2003 um 12 Uhr MESZ -
kommt unser aeusserer Nachbarplanet, der Mars, der Erde so nahe, wie seit
2000 Jahren nicht mehr !
Einige Quellen sprechen sogar von der groessten Annaeherung seit 73000 Jahren.
An sich ist es nichts ungewoehnliches, dass die Erde nach etwas mehr als
einem Jahr die aeusseren Planeten bei dem gemeinsamen Umlauf um die Sonne
auf ihrer sonnennaeheren Bahn ueberholt.
Den Jupiter z. B., der fuer einen Umlauf um die Sonne etwa 12 Jahre braucht,
ueberholen wir ca. alle 13 Monate.
So ein Ueberholvorgang ist gleichbedeutend mit der groesstmoeglichen
Annaeherung der Erde an den jeweiligen Planeten; er ist deshalb in dieser Zeit
am besten zu beobachten und die ganze Nacht am Abendhimmel sichtbar, weil
Sonne, Erde und der betreffende Planet hintereinander in einer Linie stehen
(sogenannte Oppositionsstellung).
Was ist nun das Besondere an dem diesjaehrigen Ueberholmanoever bezogen auf
den Mars ?
Obwohl der Mars unser direkter Nachbar ist, ist er von allen aeusseren
Planeten eigentlich am Schwierigsten zu beobachten.
Das hat zwei Gruende:
1.) aufgrund seiner - im Verhaeltniss zur Umlaufzeit der Erde um die Sonne -
erheblichen Eigenbewegung waehrend eines Erdenjahres, dauert es ca. zwei
Jahre, einen Monat und drei Wochen, bis die Erde den Mars erneut ueberholt.
Das bedeutet: eine fuer Beobachtungen guenstige Oppositionsstellung tritt
nur etwa alle zwei Jahre ein, also nur halb so oft, wie bei allen anderen
aeusseren Planeten.
2.) die Umlaufbahn des Mars um die Sonne zeigt eine erhebliche Abweichung
von der Kreisbahn ! Der sonnennaechste Punkt (Perihel genannt) liegt bei etwa
200 Millionen km, der sonnenfernste (Aphel genannt) bei 250 Millionen km. Die
Schwankung des Sonnenabstandes beim Mars betraegt als rund 50 Millionen km !
Das ist das Zehnfache der Abstandsschwankung der Erdbahn um die Sonne !
Die Erde hat naemlich auch keine perfekte Kreisbahn.
Perihel Erdbahn: 147 Millionen km, Aphel Erdbahn: 152 Millionen km.
Das Perihel durchlaeuft die Erde immer Anfang Januar, das Aphel immer Anfang
Juli.
Interessanterweise liegen der sonnenfernste Punkt der Erdbahn - also die
groesstmoegliche Annaeherung der Erde an die Marsbahn - und der sonnen-
naechste Punkt der Marsbahn, was der groesstmoeglichen Annaeherung des Mars
an die Erdbahn entspricht, auf derselben Sonnenseite; allerdings nicht ganz
genau auf einer Linie.
Entsprechendes gilt fuer den sonnennaechsten Punkt der Erdbahn und den
sonnenfernsten Punkt der Marsbahn.
Erde und Mars "eiern" sozusagen im Gegentakt um die Sonne.
Es leuchtet ein, dass der Mars immer dann gut zu beobachten ist, wenn Mars
und Erde sich in den Monaten Juli, August, September auf derselben Sonnen-
seite befinden. Das ist leider aber nur alle 12 bis 15 Jahre der Fall.
Die aus bahnphysikalischen Gruenden geringstmoegliche Entfernung zwischen
Mars und Erde im Bereich einer Perihel-Oppositionsstellung des Mars betraegt
55,6 Millionen km.
Dieser Wert wird in diesem Jahr mit 55,76 Millionen km nur knapp verfehlt !
Mann kann sich nun sicher vorstellen, das so guenstige Konstellationen extrem
selten sind.
Auf die naechste so guenstige Konstellation muessen wir 285 Jahre warten !
Im Jahre 2287 kommt er mit 55,69 Millionen km sogar noch etwas naeher heran.
Die groesste ueberhaupt aus den derzeitigen Bahndaten vorausberechenbare
Annaeherung wird sich im Jahre 2729 mit 55,651 Millionen km ereignen !
Bei einer Aphel-Oppositionsstellung des Mars, die grundsaetzlich nur in den
Monaten Dezember, Januar, Februar eintreten kann, kommt der Mars uns nie
naeher als etwa 100 Millionen km.
Das ist praktisch das Doppelte der jetztigen Perihel-Oppositionsentfernung.
Alle Mars-Oppositionsentfernungen schwanken also grundsaetzlich zwischen den
Extremwerten 110 Millionen km und weniger als 56 Millionen km.
Durch die selten guenstige Annaeherung in diesem Jahr erreicht der Mars eine
nie gekannte Helligkeit am Abendhimmel !
Heller als Jupiter unter guenstigsten Bedingungen !
Da werden viele fragen: "was ist das denn da fuer eine kommische orangerote
Laterne am Nachthimmel ?"
In der Tat ! Mit "-2m9" erreicht der Mars die groesste Helligkeit nach dem
Vollmond.
Die Astronomen haben fuer die scheinbare Helligkeit eines Objektes eine quasi
logarithmische Skala, aehnlich dem uns Funkamateuren vertrauten Dezibel;
die "Magnitude".
Objekte lichtschwaecher als das Referenzobjekt - Helligkeit "0m0" - erhalten
positive, Objekte heller als das Referenzobjekt, negative Vorzeichen.
Das blosse menschliche Auge kann unter guenstigen Bedingungen Objekte bis
hinunter zur sogenannten fuenften Groessenklasse - Magnitude "5m0"-,
eventuell auch bis zur 6. Groessenklasse "6m0" erkennen.
(Zum Vergleich:
Sirius, der hellste Stern erreicht "-1m4",
der Vollmond erreicht "-12m7" und die Sonne ist mit "-26m7" noch einmal 14
Zehnerpotemzen heller als der Vollmond.)
Das Marsscheibchen erreicht im Fernrohr (fuer Marsverhaeltnisse) respektable
25 Bogensekunden.
(Zum Vergleich: der Jupiter - obwohl guenstigstenfalls mit 620 Millionen km
mehr als 10-mal weiter von der Erde entfernt, als der Mars jetzt - erreicht
wegen seines mit 144000 km 20-fachen Durchmessers gegenueber Mars immer
einen maximalen Scheibchendurchmesser von etwa 46 Bogensekunden.)
Man gebe sich allerdings nicht der Illusion hin, man koenne nun die "kleinen
gruenen Marsmaennchen" nachmittags auf ihren Marsterrassen sitzen und Mars-
Kaffee trinken sehen.
Selbst wenn es die o.g. "Herrschaften" wirklich gaebe, waere das auch mit den
besten professionellen Fernrohren nicht moeglich.
55 Millionen km sind eben doch immer noch eine riesige Entfernung !
Details wie Einschlag-Krater, Gebirge, Schluchten und Vulkankegel wurden
erst durch Raumsonden - speziell Mariner 9 im November 1971 - entdeckt.
Trotzdem lohnt sich - wie noch nie zuvor - ein Blick durch ein Fernrohr und
der Versuch, Strukturen auf der Mars-Oberflaeche wie hellere oder dunklere
Gebiete und die weissen Polkappen zu erkennen, wenn, ja wenn nicht gerade ein
Staubsturm, der die ganze Planetenoberflaeche erfassen und mehrere Wochen oder
sogar Monate anhalten kann, nicht alles in eine scheinbar strukturlose
orangerote Flaeche verwandelt.
So erging es uebrigens auch der Raumsonde Mariner 9 im November 1971, die in
den ersten drei Wochen nach erfolgreichem Eintritt in die Marsumlaufbahn rein
gar nichts erkennen konnte.
Die Bilder, die Mariner 9 aber nach dem grossen Sturm zur Erde sendete, waren
die absolute Sensation !
Wo findet man die "rote Laterne" denn nun am Abendhimmel ?
Mitte August geht Mars um etwa 21 Uhr im Suedosten auf, steigt maximal auf
23 Grad ueber den Horizont und geht um 5 Uhr morgens im Südwesten wieder
unter.
Sollte man die Nacht der groessten Annaeherung verpassen, oder Bewoelkung den
Blick auf unseren roten Nachbarn versperren, ist das aber nicht so schlimm,
weil aufgrund der grossen Eigenbewegung des Mars im Verhaeltnis zur Erde,
sich die Erde nur langsam vom Mars wieder entfernt, sodass der Mars auch in
den kommenden Monaten ein bemerkenswert helles Objekt bleiben wird.
Die enorme Heligkeit "-2m9" bleibt bis etwa 3. September erhalten. Danach
wird er ganz langsam wieder lichtschwaecher und das Scheibchen kleiner.
Dafuer geht er dann aber immer frueher auf und steigt - je weiter wir in den
Herbst und Winter hineinwandern - auch hoeher ueber den Horizont.
Aufgrund der besonderen Konstellation waere dieses Jahr - was die Reisezeit
anbelangt - auch guenstig gewesen fuer einen bemannten Flug zum Mars.
Aber leider ist die Technik und vor allem der Mensch noch nicht soweit, einen
mehrere Jahre dauernden Raumflug zu ueberstehen. Eine Rueckkehrmoeglichkeit
besteht ja nur alle zwei Erd-Jahre und fuer ein paar Umkreisungen des Mars
und dann sofort wieder zurueck, lohnt sich der Aufwand sicher nicht.
Vielleicht sieht das in 285 Jahren ja anders aus !
Auf jeden Fall hat man eine ganze Armada von Sonden auf die Reise zum Mars
geschickt, die den roten Nachbarn bereits um die Weihnachtszeit 2003 erreichen
sollen und (hoffentlich) weitere Daten zur Erde senden werden.
Hier noch eine Tabelle ueber die naechsten Marsopositionen.
(Datum und Entfernung gelten fuer den Tag der groessten Annaeherung an die
Erde. Der Tag der genauen Oppositionsstellung - Sonne, Erfe, Mars in einer
Linie - ist nicht identisch mit dem Tag der geringsten Entfernung, sondern
kann bis zu einer Woche abweichen ! !)
Datum Entfernung Helligkeit Scheibchendurchmesser
(Mill. km) (Magnitude) (Bogensekunden)
27.08.03 55,76 -2m9 25,1
30.10.05 69,4 -2m3 20,2
18.12.07 88,2 -1m7 15,9
27.01.10 99,3 -1m3 14,1
05.03.12 100,8 -1m2 13,9
14.04.14 92,4 -1m5 15,2
30.05.16 75,3 -2m1 18,6
31.07.18 57,6 -2m8 24,3
06.10.20 62,2 -2m6 22,6
(Quelle: das Himmelsjahr 2003)
Man sieht sehr deutlich, dass der Mars sich in den naechsten Jahren immer
weiter entfernt und es lange - 15 Jahre - dauert, bis wir am 31. Juli 2018
wieder eine Annaeherung erwarten koennen, die nur ein wenig "schlechter" ist,
als die diesjaehrige.
Uebrigens steht auch der Uranus seit dem 24. August in Opposition zur Sonne.
"Helligkeit": 5m7 (mit blossem Auge also praktisch nicht mehr sichtbar)
Entfernung von der Erde: 2,845 Milliarden km;
Scheibchendurchmesser: magere 3,7 Bogensekunden.
Der Uranus steht - ebenso wie Mars - im Sternbild Wassermann.
Na denn ! An die Fernrohre !!
73 und viel Erfolg ! Wilfried, DL1YAI.
Hier noch einige "technische" Daten des Mars:
mittlere Entfernung von der Sonne : 227,9 Millionen km
Durchmesser (Erde 12756 km) : 6770 km
Volumen (Erde = 1) : 0,15
Masse (Erde = 1) : 0,11
Dichte (Wasser = 1) : 3,97
Tageslaenge (Erde 24 h) : 24 Stunden und 37 Minuten
mittlere Bahngeschwindigkeit : 24,1 km/Sekunde
Entweichgeschindigkeit : 5,09 km/Sekunde
Schwerebeschleunigung (Erde = 1) : 0,38
Neigung der Rotationsachse : 25 Grad
Monde : Phobos und Deimos
Laenge der Jahreszeiten : etwa 6 Monate (doppelt so lang
wie auf der Erde)
Jahreslaenge : etwa 687 Erd-Tage
Wetter : kalt und trocken, oft stuermisch
Temperaturen im Sommer am Tage : auf der Suedhalbkugel +20 Grad Celsius
im Sommer in der Nacht : Minus 80 Grad Celsius
im Winter : unter Minus 100 Grad Celsius
Atmosphaerendruck (Erde = 1) : 0,01
Ob da wirklich jemand hin will ?
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